Soldin (brand. Neumark)

undefinedJüdische Gemeinde - Landsberg/Warthe (brand. Neumark)Die nach dem Wiener Kongress durchgeführte Neuorganisation der Kreisgliederung in Preußen brachte 1818 den Kreis Soldin im Reg.bez. Frankfurt/O. (Provinz Brandenburg) hervor. Heute gehört das Gebiet zur polnischen Woiwodschaft Westpommern. Die Stadt Soldin - ca. 20 Kilometer nordwestlich von Landsberg gelegen - ist das heutige poln. Myślibórz mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Myślibórz rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

In Soldin sind einzelne jüdische Bewohner schon seit dem 14.Jahrhundert nachweisbar; allerdings war ihre Ansiedlung nicht dauerhaft. Als 1717 der preußische König knapp 50 jüdischen Familien in der Neumark Schutzbriefe gewährte und damit deren Aufnahme erlaubte, gehörte auch Soldin zu den Orten, die von Juden aufgesucht wurden. Doch erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts bildete sich eine kleine Gemeinde heraus, die um 1790 fünf Familien zählte; ein halbes Jahrhundert später bestand die Gemeinde aus ca. 120 Angehörigen. Sie verfügte über ein eigenes Friedhofsgelände und eine kleine Synagoge in der Klosterstraße (bereits um 1790 eingerichtet), die sich gegenüber der Kirche des Dominikanerklosters befand. In dem 1843 renovierten Gebäude waren ca. 35 Männerplätze vorhanden; auf einer über einen separaten Eingang zu erreichenden Empore fanden die Frauen Platz.

Juden in Soldin:

--- um 1790 ..........................   5 jüdische Familien,

--- um 1840 ...................... ca. 120 Juden,

--- 1855 ......................... ca. 120   "  ,

--- 1871 .............................  82   "  ,

--- um 1890 ...................... ca. 100   “  ,

--- 1905 .............................  70   “  ,

--- um 1930 ...................... ca.  40   “  .

Angaben aus: Mysliborz, in: sztetl.org.pl

 Neuenburger Tor (hist. Postkarte, um 1900, aus: wikipedia.org, CCO)

 

Bis gegen Ende des 19.Jahrhunderts blieb die Zahl der Gemeindeangehörigen mit ca. 100 Personen nahezu konstant. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Soldin dann nur noch ca. 35 – 40 Juden. Das letzte jüdische Geschäft wurde Ende 1938 aufgegeben.

Über das weitere Schicksal der in Soldin verbliebenen Juden ist kaum etwas bekannt.

Der Friedhof der Soldiner Gemeinde soll die NS-Zeit fast unversehrt überstanden haben.

 https://lh4.ggpht.com/S8orGSG7wYg-LAiK4B8B46HXNVIHQ01VyOV80jYfMSXRr5177G8L54YJVrk Alter Grabstein (Aufn. aus: collection.yadvaschem.org)

Erst in den 1960er Jahren wurde die Fläche eingeebnet, so dass heute – außer einem einzigen Grabstein - kaum sichtbare Spuren des ehemaligen jüdischen Begräbnisplatzes zu finden sind.

 

 

 

In Lippehne (poln. Lipiany, derzeit ca. 4.000 Einw.) – nur wenige Kilometer nordöstlich von Soldin/Myślibórz – existierte seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde. Seit 1791 besaß diese eine neues im Fachwerkstil errichtetes Synagogengebäude (in der Tempelgasse), das einen kleinen Betraum in einem Stallgebäude ablöste.

Synagoge von Lippehne"Judentempel" in Lippehne (Zeichnung K.König, um 1925)

Um 1800 setzte sich die Gemeinde aus sieben Familien (ca. 80 Pers.) zusammen; nach anderen Angaben sollen es damals etwa 15 - 20 Familien gewesen sein. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts zählte die Gemeinde noch ca. 45 Angehörige, die von einem angestellten Kantor/Lehrer betreut wurden. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch ein Friedhof.

Marktplatz von Lippehne - hist. Postkarte (aus: wikipedia.org, CCO)

Zu Beginn der 1930er Jahre wohnten noch ca. 45 Juden in der Kleinstadt; 1942 war es nur noch eine Person, die dort vermutlich “in Mischehe” lebte. Die weiteren Schicksale der meisten Lippehner Juden sind unbekannt.

Heute erinnert nur ein in einem Waldgebiet liegendes verwahrlostes Areal mit wenigen steinernen Relikten daran, dass hier ehemals die Begräbnisstätte der Lippehner Juden sich befand.

Fragmente des Jüdischen Friedhofs in LipianyAufn. Peggy Lohse, aus: uni-potsdam.de

Detaillierte Informationen siehe: Ingrid Schellhaas (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Lippehne (Lipiany), in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)

 

 

 

Weitere Informationen:

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust , New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 3, S. 1214 (Myślibórz/Soldin)  und  Vol. 2, S. 735 (Lipiany/Lippehne)

International Association of Jewish Genealogical Societies – Cemetery Projekt

Charlotte Richter, Aus der Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Soldin/Neumark, in: „Heimatblatt”, Heft 207 (März 2002)

Marek Karolczak, Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Mysliborz (Soldin), Manuskript in poln. Sprache, 2007/2008 (abrufbar unter: Transodra online)

Myślibórz, aus: sztetl.org.pl

Lipiany, aus: sztetl.org.pl

Ingrid Schellhaas (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Lippehne (Lipiany), in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)